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THEMAHEMAIMAT UND KULTUR
T HE
an dem Festtag den sogenann-
ten Bratenrock. Dieser schwarze
Gehrock hieß im Volksmund so,
weil er ausschließlich an Sonn-
und Feiertagen – wenn es in den
Familien auch einmal Fleisch zu
essen gab – getragen wurde.
Frau Klein erklärte uns, dass
damals zur Ausstattung des
Bräutigams ein weißes Halstuch
gehörte. War die Braut jedoch
schwanger, musste es schwarz
sein. Uns wurde bewusst, nach
welch strengen Regeln in den
vergangenen Jahrhunderten die
Kleiderordnung bestimmt war. Die
Tracht gab genaue Auskunft über
die persönlichen Verhältnisse sei-
ner Trägerin oder seines Trägers.
Verheiratete Frauen trugen z. B.
immer eine Haube. So rührt der
Spruch: „Sie ist unter die Haube
gekommen“ aus jener Zeit.
Ein großer Webstuhl, der in
der Stube auffi el, erinnert daran,
dass schon um 1300 in der
Gegend von Westerburg Leinen-
weber erwähnt wurden. Einen
Eindruck von der Westerwälder ihn dadurch außer Gefecht zu
Alltagstracht gaben uns zwei setzen. Das hatte schließlich zur
Schaufensterpuppen in origina- Folge, dass Westerwäldern der
len Kleidungsstücken von damals. Besuch von Tanzveranstaltun-
Die Frauen trugen an Werkta- gen im Kittel untersagt wurde.
gen ein weißes, meist kragenlo- In einem weiteren Raum
ses Leinenhemd, dazu vielfach beeindruckten die reich verzier-
einen dunkelblauen Rock aus ten, schmucken Originaltrachten
Baumwollstoff. Das zur Tracht aus verschiedenen europäischen
gehörende enge, vorn geknöpfte Ländern wie Ungarn, Rumänien,
oder geschnürte Leibchen war Polen, Russland und Siebenbür-
oft aus dem gleichen Stoff wie gen mit ihren Geschichten.
der Rock. Die Kopfbedeckung – Zum Abschluss dieser Reise
eine Haube oder ein gebundenes in die Vergangenheit bewunder-
Tuch – durfte nicht fehlen. Der ten wir staunend Vitrinen mit
Mann trug eine Zipfelmütze – die 150 detailgetreuen in Handarbeit
Bommelmütsch – ein weißes Lei- angefertigten deutschen und euro-
nenhemd, eine Leinenhose mit päischen Miniaturtrachten.
Latz und darüber einen längeren
weiten Leinenkittel. Bei Tanzver-
anstaltungen kam es des Öfteren
Fotos: Bernd Schneider zu Raufereien unter den jungen
Männern und nicht selten gab es
Versuche, dem Gegner den Kit-
tel über den Kopf zu stülpen, um
14 ursula Düvel
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