Page 5 - Jahresringe 117
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THeMA: WiNTeRFReUDeN


                                         Winterfreuden




      In meiner Erinnerung sind die           Später am Abend frönten selbst
      Winter der 50er Jahre keines-        die Erwachsenen dem lustigen
      wegs trist und trübe, im Gegen-      Rodeln. Neben der Rodelbahn
      teil: Für uns Kinder kann man        hatten wir uns eine Schlitterbahn
      diese Zeit durchaus als Zeit der     angelegt. Hier kam es auf kör-
      Winterfreuden bezeichnen.            perliche Geschicklichkeit und
         Ein zugefrorener Brandteich zog  Balance an. Wir rutschten solange
      uns Jungs magisch an. Hier konn-     immer auf derselben Bahn, bis sie
      ten wir nach Herzenslust Schlitt-    eisig und lang und länger wurde.
      schuh laufen und mit Milchdosen      Die unter den Sohlen mit klei-
      als Puck Eishockey spielen. Da die   nen Nägeln beschlagenen Schuhe
      Schlittschuhe unten an den nor-      waren für ein schnelles Rutschen
      malen Schuhen festgespannt wur-      förderlich. Auch hier ging es
      den, kam es durchaus vor, dass die  meist darum, wer am weitesten
      Sohle abriss. Das sahen die Eltern   auf der Bahn rutschen konnte.
      nicht gerne. Dann hatte man für         Da in den damaligen Wintern
      ein paar Tage Schlittschuhverbot.    reichlich Schnee fi el, bauten wir
         Ein weiteres Vergnügen gab        Schneehöhlen und wetteiferten,
      es auf der glatten, steilen Dorf-    wer die größte hatte. Einen Man-
      straße. Damals fuhren kaum           gel an Spielen hatten wir also im
      Autos. Wir konnten ausgiebig mit     Winter keineswegs zu beklagen.
      unseren Schlitten Rennen fahren         Es blieb natürlich nicht aus,
      oder mit aneinander angehängten      dass wir nass wurden und
      Schlitten den Berg hinuntersau-      tüchtig froren: Gefütterte Win-
      sen. Dabei kam es regelmä-           terkleidung wie heute gab es
      ßig zu gewollten Unfällen. Bei       noch nicht. Selbstgestrickte
      Schneeballschlachten und dem         Schafwollstrümpfe, Pullo-
      „Einseifen“ mit Schnee mussten       ver und Pudelmützen waren
      besonders die Mädchen leiden.        unsere Hauptkleidungsstücke.         Wenn die gefrorenen Fin-
                                                                                ger und Zehen schmerzten
                                                                                und die Rotznase festfror, lief
                                                                                ich zum Haus meiner Oma.
                                                                                Schuhe aus und ab damit in
                                                                                den Backofen zum Trock-
                                                                                nen. Oma rieb mir die Füße
                                                                                mit einem Frottiertuch warm.
                                                                                Ich bekam einen Pfefferminz-
                                                                                tee oder heiße Milch und ein
                                                                                Brot mit selbstgekirnter Butter.
                                                                                   Obwohl diese Fürsorge sehr
                                                                                angenehm war, konnte ich es
                                                                                kaum erwarten, wieder raus zu
                                                                                meinen Freunden zu kommen. 




                                                                               Fotos: pexels.com   bernd Schneider







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