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THeMA: WiNTeRFReUDeN
Winterfreuden
In meiner Erinnerung sind die Später am Abend frönten selbst
Winter der 50er Jahre keines- die Erwachsenen dem lustigen
wegs trist und trübe, im Gegen- Rodeln. Neben der Rodelbahn
teil: Für uns Kinder kann man hatten wir uns eine Schlitterbahn
diese Zeit durchaus als Zeit der angelegt. Hier kam es auf kör-
Winterfreuden bezeichnen. perliche Geschicklichkeit und
Ein zugefrorener Brandteich zog Balance an. Wir rutschten solange
uns Jungs magisch an. Hier konn- immer auf derselben Bahn, bis sie
ten wir nach Herzenslust Schlitt- eisig und lang und länger wurde.
schuh laufen und mit Milchdosen Die unter den Sohlen mit klei-
als Puck Eishockey spielen. Da die nen Nägeln beschlagenen Schuhe
Schlittschuhe unten an den nor- waren für ein schnelles Rutschen
malen Schuhen festgespannt wur- förderlich. Auch hier ging es
den, kam es durchaus vor, dass die meist darum, wer am weitesten
Sohle abriss. Das sahen die Eltern auf der Bahn rutschen konnte.
nicht gerne. Dann hatte man für Da in den damaligen Wintern
ein paar Tage Schlittschuhverbot. reichlich Schnee fi el, bauten wir
Ein weiteres Vergnügen gab Schneehöhlen und wetteiferten,
es auf der glatten, steilen Dorf- wer die größte hatte. Einen Man-
straße. Damals fuhren kaum gel an Spielen hatten wir also im
Autos. Wir konnten ausgiebig mit Winter keineswegs zu beklagen.
unseren Schlitten Rennen fahren Es blieb natürlich nicht aus,
oder mit aneinander angehängten dass wir nass wurden und
Schlitten den Berg hinuntersau- tüchtig froren: Gefütterte Win-
sen. Dabei kam es regelmä- terkleidung wie heute gab es
ßig zu gewollten Unfällen. Bei noch nicht. Selbstgestrickte
Schneeballschlachten und dem Schafwollstrümpfe, Pullo-
„Einseifen“ mit Schnee mussten ver und Pudelmützen waren
besonders die Mädchen leiden. unsere Hauptkleidungsstücke. Wenn die gefrorenen Fin-
ger und Zehen schmerzten
und die Rotznase festfror, lief
ich zum Haus meiner Oma.
Schuhe aus und ab damit in
den Backofen zum Trock-
nen. Oma rieb mir die Füße
mit einem Frottiertuch warm.
Ich bekam einen Pfefferminz-
tee oder heiße Milch und ein
Brot mit selbstgekirnter Butter.
Obwohl diese Fürsorge sehr
angenehm war, konnte ich es
kaum erwarten, wieder raus zu
meinen Freunden zu kommen.
Fotos: pexels.com bernd Schneider
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